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Farbenfrohe Brettspiele

Schach ist zwar nicht das Leben, aber fuer Goethes Erben wird es ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu ihrem Ziel sein. Was Goethes Erben machen, ist mehr als nur Musik. Sie geben nicht einfach nur ein Konzert. Goethes Erben spielen Musiktheater, wollen bei ihren Auftritten ihre Gefuehle vermitteln und lassen dabei den Zuschauer an ihren eigenen, lebendigen Inszenierungen teilhaben und mitfuehlen. Es ist ihnen im Laufe der Jahre gelungen sich aus der Welle der "Neuen Deutschen Todesbands" zu loesen, aus der sie zwar mit entstanden, zu der sie aber eigentlich nie so richtig dazugehoerten. Obwohl der Grossteil ihres Publikums nach wie vor aus der Gothik-Szene kommt, konnten sie sich spaetestens mit ihrem letzten Album vom Klischee einer reinen Gothik-Band befreien. "Wir hatten schon immer ein anderes Konzept. Wir wurden komischerweise immer mit 'Das Ich' verglichen, zum Beispiel. Aber 'Das Ich' machen eine ganz andere Art von Musik, die haben einen ganz anderen Anspruch, die machen Musik fuer Diskotheken. Sie machen Rock/Pop-Musik, halt sehr abgefahren. Und wir Musiktheater, das ist ein himmelweiter Unterschied. Wenn Du eine Das-Ich-Inszenierung siehst oder irgend eine andere deutschsprachige Band wie zum Beispiel Lacrimosa, dann hat das ueberhaupt nichts mit dem zu tun, was wir machen."

Und nicht nur durch ihr Konzept sondern auch durch ihr sehr enges Verhaeltnis zum Publikum unterscheiden sich Goethes Erben von vielen anderen Bands, ohne dabei ihre Integritaet zu verlieren. "Ich vertrete den Standpunkt, das Goethes Erben sehr oft viele Fragen aufwirft und da muss man auch bereit sein diese Fragen zu beantworten. Wir reflektieren halt zum Publikum. Weil, im Endeffekt sind wir ja abhaengig. Denn was sollen wir machen, wenn irgendwann keine Leute mehr zu unseren Konzerten kommen und das passiert eben, wenn ich die Leute schlecht behandle. Und das Publikum soll auch das Gefuehl haben, dass wir uns freuen, wenn Leute kommen und das man mit uns auch reden kann, was wir machen. Und viele wollen einen natuerlich auch kennenlernen. Einige halten mich eben fuer total verrueckt, und wenn man gewisse Stuecke hoert, koennte man das auch denken. Aber ich bin eben Schauspieler."

Nach der "Schach ist nicht das Leben"-Tour im letzten Jahr sind sie jetzt mit der neu inszenierten Vorstellung, die am 27. Maerz im Chemnitzer Kraftwerk Premiere hatte, unterwegs. Sieben Musiker und ein Tanzensemble entfuehren das Publikum in eine Welt voller Farben und Gefuehle, beziehen es in ein perfekt aufgefuehrtes Theaterstueck ein. Der charismatische Hauptakteur und Bandkopf Oswald Henke beeindruckt nicht nur als Saenger sondern vordergruendig als Schauspieler und verlangt dabei nicht nur sich selbst sondern auch dem Zuschauer einiges ab. "Wir wollen auf der Buehne Theater machen. Das Publikum soll ruhig sein, waehrend wir spielen, und am Schluss klatschen (lacht). Dabei haben wir auch gar nicht den Anspruch, dass man alles sofort versteht, was auf der Buehne passiert. Man sollte vielmehr etwas fuehlen und erfuehlen, schauen und traeumen. Das ist das Wichtigste. Es muss nicht immer sofort ein Sinn erkannt werden. Jeder soll fuer sich selbst einen Sinn erkennen, aus dem, was wir auf der Buehne darstellen. Die Phantasie des Zuschauers entwickelt dann die Bilder. Es ist schoen, wenn ein Gefuehl transportiert wird, dass ist Sinn und Zweck von dem, was wir machen. Heute Abend hatten wir zum Beispiel wieder ein typisches Erben-Publikum. Waehrend der Show relativ ruhig aber natuerlich waren auch ein paar Quatschtaschen dabei. Aber solange wir nicht die Moeglichkeit haben, in Theatern zu spielen, muessen wir halt mit diesen Kompromissen leben."

Und Kompromisse mussten auch von Seiten des Publikums gemacht werden, denn sicherlich waere die Atmosphaere bei einem bestuhlten Konzert eine ganz andere gewesen. Doch war dies schon aufgrund der grossen Besucherzahl technisch kaum realisierbar. "Auch gerade deshalb wollen wir immer mehr in den Theaterbereich gehen und unser Endziel ist eben nur noch in Theatern zu spielen und nicht mehr auf Rock/Popbuehnen. Da bekommen die Leute einfach alles von dem mit, was auf der Buehne passiert, denn unsere Show lebt eben von der Optik. Und natuerlich muessen wir dann auch nicht mehr die Zugaben spielen, die das Publikum jetzt noch verlangt. Denn das ist eigentlich nicht das, was wir wollen. Wir moechten irgendwann: Vorhang zu. Aus. Geht mit diesem Gefuehl, was wir am Schluss erzeugen. Der Schlusstext vom Eigentlichen hat ja schon etwas sehr Intimes und kann sehr lange nachwirken. Man macht sich dann selber die Stimmung wieder kaputt, wenn man dem Wunsch der Leute nach Zugaben nachgibt. Aber wenn wir jetzt nicht noch einmal rausgehen, wuerden die Leute uns das sehr uebel nehmen. Und das ist eben die Zwitter-Situation, in der wir momentan sind. Wir wollen Theater spielen aber wir kommen mit unserem Konzept nicht bei diesen Veranstaltern an. Es ist momentan noch ein Kampf, ueberhaupt einmal eine Veranstaltung in einer bestuhlten Oertlichkeit durchzufuehren.

Doch nicht nur die Aussicht auf die zukuenftigen Theaterauftritte sondern auch der bisherige Weg von Goethes Erben machen neugierig auf das, was in Zukunft passieren wird. "Wohin unser Weg fuehrt, kann ich jetzt noch nicht sagen, weil ich noch mitten in "Schach ist nicht das Leben" bin. Wir werden aber auf jeden Fall erst ein Theaterstueck auf die Buehne bringen und dann erst hinterher wieder aufnehmen. Unsere Geschichte entwickelt sich immer weiter, so wie wir leben und was wir erleben schlaegt sich in unserer Arbeit nieder. Man moechte ja auch nicht stagnieren. Wir haben die Trilogie gemacht, wir haben 'Niemandsland' gemacht, wir haben 'Blau' gemacht und jetzt eben 'Schach...'. Und der rote Faden in unserer Arbeit ist immer die deutsche Sprache und das alles mit Gefuehlen verbunden ist. Und natuerlich jeweils ein Konzept. 'Blau' war zum Beispiel ein sehr kaltes Album, das war das Konzept, rein die nackten Worte wirken lassen und alles sehr kalt darzustellen. Und 'Schach...' ist das genaue Gegenteil von 'Blau', da sind Gefuehle, da sind Farben drin, das lebt, waehrend das andere relativ tot ist. Meine Texte oder das Gefuehl, was vermittelt werden soll, sind zum grossen Teil sehr autobiografisch. Das heisst nicht, dass ich immer genau das erzaehle, was ich empfinde. Ich mache das eben in Symbolsprache."

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